8 Prinzipien für eine erfolgreiche Grundausbildung

In der Vergangenheit habe ich schon einmal erwähnt, dass die Grundausbildung – also der Weg vom rohen Jungpferd zu einem Reitpferd, was in allen drei Grundgangarten unter dem Sattel gehen kann – eine der wichtigsten Faktoren für das Leben deines Pferdes ist. (Den Blogbeitrag dazu findest du hier.)

Daher soll es heute darum gehen, welche Prinzipien zu beachten sind, wenn die Grundausbildung erfolgreich ablaufen, also ein gesundes, unkompliziertes, vertrauensvolles Pferd hervorbringen, soll.

1. Prinzip: Es dauert so lange, wie es dauert.

Vielleicht kennst du die Faustregel, dass eine Grundausbildung ungefähr zwei Jahre dauert.
Das trifft zu, wenn Folgendes gegeben ist:

  • der/die Ausbilder/in ist erfahren, weiß jeden Tag ganz genau, was realistischerweise zu tun ist und kann das gut umsetzen

  • es gibt zwischenzeitlich keine größeren Pausen, bspw. durch Verletzungen, starke Wachstumsschübe, beruflichen Stress oder auch eine Schwangerschaft der Reiterin

  • das Pferd bringt keine der heute häufig auftretenden Probleme wie zu weiches Bindegewebe, ECVM o.ä. mit, die erhöhte Anforderungen an Management und Ausbildung stellen

Seien wir ehrlich, in der Regel ist bei uns Freizeitreitern keiner der drei Punkte erfüllt.
Das ist nicht unbedingt ein Problem, denn es bedeutet vor allem, dass die Grundausbildung für ein Pferd einer ganz normalen Freizeitreiterin deutlich länger dauern wird.
Bevor du dich mit deinem Jungpferd auf den Weg zum Reitpferd begibst, rechne also mit mindestens 3, vielleicht auch 4 Jahren.

Bei allen anderen geht es viel schneller?

Das mag sein.
Aber wie schlimm ist es wirklich, wenn dein Pferd erst 8jährig ‚fertig‘ ist? Euch stehen dann ja idealerweise immer noch 20 gemeinsame Jahre bevor.
Je sorgfältiger die Grundausbildung war, desto schönere gemeinsame Jahre übrigens, denn ihr habt dann ein sehr solides Fundament.

Schneller in der Pferdeausbildung hat oft früher oder später Nebeneffekte wie körperliche Schäden bereits bei 10jährigen oder psychische Probleme, die das Pferd sein Leben lang behält.

Und Pferde sind auch einfach Individuen. Ein unsicherer Charakter wird länger brauchen als ein von Natur aus sehr selbstbewusstes Pferd. Deswegen ist die Ausbildung nicht schlechter – im Gegenteil, Ausbildung kann nur dann gut sein, wenn sie auf das jeweilige Pferd eingeht.

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2. Prinzip: Erste Erlebnisse sind prägend.

Die Ausbildung eines Jungpferdes ist eine tolle Sache, denn junge Pferde sind naturgemäß neugierig und lernen gern und schnell.
Die Ausbildung eines Jungpferdes ist deswegen gleichzeitig eine große Verantwortung, denn junge Pferde erleben viele Dinge zum ersten Mal und entwickeln daraus ihr Weltbild.
Und dieses Weltbild darf nicht sein:
Ich fühle mich überfordert, es wird keine Rücksicht genommen, der Umgang mit Menschen ist unangenehm, verwirrend, schmerzhaft, Longieren bedeutet rennen, Reiten bedeutet Krampf, in den Hänger einsteigen ist Stress pur, ich muss immer den Kopf komisch halten und seitwärts rennen und bin eigentlich nur froh, wenn ich wieder in meine Herde komme und meine Ruhe habe.

Weil ein junges Pferd so ein Weltbild sehr schnell entwickeln kann und das auch, wenn dem Menschen nur aus Versehen hier und da Fehler passiert sind, ist das nächste Prinzip bei jungen Pferden quasi doppelt so wichtig wie ohnehin schon in der Pferdeausbildung:

3. Prinzip: Vorbereitung ist (mehr als) die halbe Miete.

Im Gegensatz zu Pferden haben wir Menschen die Fähigkeit, vorauszudenken, zu planen und bei komplexeren Abläufen den Überblick zu behalten.
Genau das ist im Umgang mit und ganz besonders in der Ausbildung von Pferden unsere Aufgabe.

In der Grundausbildung bedeutet das zum einen, dass vor Beginn der Ausbildung schon klar sein sollte, was das Ziel ist.
Damit meine ich nicht nur ‚mein Pferd soll in allen Gangarten reitbar sein‘, sondern auch Dinge wie ‚Gelände soll ganz selbstverständlicher Teil der Woche sein‘, ‚mein Pferd kann auch mal 5 Minuten in Ruhe warten‘ oder ‚Ausflüge in andere Ställe sollen entspannt möglich sein‘. Überlege dir also unbedingt vorher in Ruhe, was genau dein Pferd im Alter von 7 oder 8 Jahren können und kennen sollte, damit du die nötige Vorbereitung dafür mit in die Ausbildung einfließen lassen kannst.

Zum anderen bedeutet dieses Prinzip, in der Grundausbildung NICHT nach der Prämisse ‚erstmal machen und dann gucken, was passiert‘ vorzugehen. Im schlimmsten Fall gibt es dann einen Knacks im Vertrauen des Pferdes, welcher es die nächsten Jahre begleiten wird.
Überlege dir also vorher, welche Zwischenschritte für ein bestimmtes Ziel nötig sind, wie du Situationen schaffen oder nutzen kannst, um dein Pferd an eine Aufgabe heranzuführen und wie du reagierst, wenn dein Pferd sich wie ein Pferd verhält und beispielsweise mal einen Satz macht.

4. Prinzip: Erst Gewöhnung, dann Fordern.

Eine weitere goldene Regel in der Ausbildung ist, dass ein Pferd etwas immer erstmal grundsätzlich kennenlernen muss, ehe wir es dabei fordern können.
Den Sattel lernt es erst im Stand und im Schritt kennen, ehe wir langsam auch Trab und Galopp dazu nehmen.

Auch ans Reitergewicht wird es schrittweise herangeführt und trägt es dann erstmal passiv mit sich herum, ehe der Reiter ans Einwirken überhaupt erst denken sollte.

Der Besuch auf einer fremden Anlage darf am Anfang erstmal nur ein Umschauen im Schritt an der Hand sein – idealerweise in Begleitung eines erfahrenen Pferdekumpels –, ehe die gewohnte Arbeit wie zuhause auch auf einem unbekannten Platz stattfinden kann.

5. Prinzip: Konzentration muss geübt werden.

Ausbildung beinhaltet nicht nur körperlichen Aufbau und körperliche Anstrengung, sondern auch die Entwicklung der Konzentrationsfähigkeit. Anfangs wird die Aufmerksamkeit des Pferdes ständig von A nach B nach C wandern und vielleicht ist es nach zehn Minuten schon völlig fertig vor lauter Aufpasserei.

Neben all der bereits erwähnten Gewöhnung und dem langsamen körperlichen Aufbau ist es also ebenso deine Aufgabe, die Aufmerksamkeit deines Pferdes ganz stoisch immer wieder zu dir und zur gerade gestellten Aufgabe zurückzuführen. Das erfordert viel Fokus und Beharrlichkeit von deiner Seite, bedeutet langfristig aber ein gelasseneres und rittigeres – weil aufmerksameres – Pferd.

6. Prinzip: Konzentration muss geübt werden.

Um Überforderung zu vermeiden, sollte immer nur eine neue Sache hinzukommen. Dabei musst du unbedingt auch äußere Faktoren in die Planung einbeziehen.

Reiten an der Longe klappt problemlos und jetzt soll das freie Reiten begonnen werden – aber es schüttet und bei einem solchen Wetter hatte dein Pferd noch nie einen Reiter auf dem Rücken?

Dann ist es sinnvoll, heute nicht mit dem freien Reiten zu beginnen, sondern beispielsweise das ‚Reiter tragen an der Longe bei Regen‘ zu üben.
Ebenso sollten beispielsweise ‚das erste Mal Reiten mit Trense‘ und ‚das erste Mal frei galoppieren‘ nicht in derselben Einheit stattfinden.

Die Faustregel ist: Erst, wenn eine Sache normal geworden ist, kommt die nächste hinzu.
Manchmal zuckt das Pferd schon beim zweiten Mal mit den Schultern und benimmt sich, als hätte es nie etwas anderes gemacht – dann kann man zügig zum nächsten übergehen. Manchmal dauert es zehn Einheiten – dann dauert es halt zehn Einheiten, siehe 1. Prinzip.

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7. Prinzip: Der Übergang ins normale Reitperdeleben ist fließend.

Ausbildung ist ein Prozess, bei dem man strenggenommen nie am Ziel ankommt. Dafür sind Lebewesen zu komplex – nochmal mehr, wenn zwei verschiedene Spezies miteinander kommunizieren.

Früher oder später werdet ihr an den Punkt kommen, wo dein Pferd vieles kann und vieles klappt. Idealerweise übrigens so, dass Außenstehende finden, bei euch sei es einfach (auch wenn es das vielleicht gar nicht war).

Selbst wenn du nicht großartig weiterkommen möchtest, um ein disziplinspezifisches Ziel zu erreichen, kannst du dich nicht einfach zurücklehnen. Sondern du solltest euren Stand aktiv erhalten. Dafür solltest du regelmäßig relativ pingelig überprüfen, was qualitativ noch wie gewohnt klappt und wo es vielleicht minimale Veränderungen oder Verschlechterungen gibt.
So verhinderst du, dass es zu größeren Einbrüchen kommt, die sich schlimmstenfalls auch körperlich manifestieren.

Wenn du euer Können noch weiter ausbauen und verfeinern möchtest, bleibst du ohnehin an der Ausbildung dran. Auch hier stell dich darauf ein, dass euch manche Themen (vor allem der Gymnastizierung) länger begleiten oder immer wieder auftauchen werden. Das liegt in der Natur der Sache: Wir schließen nicht eines ab und kommen dann zum nächsten, sondern gerade die Grundlagen müssen immer wieder überprüft und auch verfeinert werden. Am Ende ist auch der Übergang vom Schritt in den Galopp nichts weiter als eine weit ausgebaute Version des ersten Anreitens aus dem Halten in den Schritt.

8. Prinzip: Eine erfahrene Ausbilderin an der Seite haben.

Vielleicht gehört dieses Prinzip auch an die erste Stelle, denn jemand mit der entsprechenden Erfahrung ist die größte Hilfe, die dein Pferd und du haben könnt.
Diese Person sorgt auf jeden Fall dafür, dass alles systematisch abläuft, du keine scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten übersiehst und ist auch Ansprechpartner für all deine Fragen und Überlegungen.

Da Jungpferdeausbildung eine so große Verantwortung mit sich bringt, gibt es kaum eine Phase, in der die Unterstützung durch einen Ausbilder wichtiger ist als in diesen Jahren.

Abschließend noch eine Bemerkung, die jeder mit Jungpferd immer mal wieder hören muss: 🙂
Nur weil ein 3- oder 4-jähriges Pferd mal überreagiert, bedeutet das NICHT, dass das immer so bleibt und es später schwierig zu reiten wird.
Es bedeutet nur, dass es eben noch nicht fertig entwickelt ist – so, wie 3- oder 13-jährige Kinder sich nicht verhalten wie 30jährige Menschen.

Also miss dem nicht allzu viel Bedeutung bei, sondern halte dich an die 8 Prinzipien und vertraue darauf, dass der Prozess am Ende zum Ziel führt. 🙂

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