5 typische Anweisungen im Reitunterricht – warum sie nicht helfen und was mögliche Alternativen sind
„Hände ruhiger!“ – „Dreh dich mehr mit!“ – „Absatz tief, Bein länger!“ – „Setz dich mehr rein!“ – „Mehr Aufrichten!“
Jeder Reiter hat diese Sätze vermutlich schon hundert Mal gehört und die ein oder andere kann sie bestimmt im Schlaf aufsagen.
Doch auch wenn sie weit verbreitet sind – wirklich weiterhelfen tun solche Ansagen oft nicht. Denn viele dieser Anweisungen sind zu ungenau, zu widersprüchlich oder schlichtweg nicht auf die individuelle Situation von Reiterin und Pferd angepasst.
Deswegen möchte ich in diesem Blogbeitrag einen genaueren Blick auf diese Aussagen werfen, ihre Wirkung kritisch beleuchten und konstruktivere Alternativen aufzeigen.

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Vorweg: Nicht alle dieser Aussagen sind grundsätzlich falsch – aber oft bleiben sie zu allgemein oder es fehlt der nötige Kontext. Deswegen scheitern viele Reiterinnen an der Umsetzung und merken, dass sie dem Ziel einer besseren Balance und mehr Harmonie mit dem Pferd einfach nicht näher kommen.
Und natürlich führt das zu Verwirrung, Unsicherheit oder Frust – dabei liegt es nicht an dir!
Lass mich dir also erklären, worin die jeweiligen Probleme liegen und was du stattdessen tun kannst.
Anweisung 1: Hände ruhiger!
An sich ein richtiges und wichtiges Ziel – schließlich wollen wir dem Maul des Pferdes keinen Schaden zufügen!
Was die Anweisung bewirkt:
Vor allem einen Fokus auf die Hände, die Zügel und den Pferdekopf. Das kommt uns als von Natur aus handlastigen Lebewesen sehr entgegen. Es bleibt dann aber wenig Aufmerksamkeit übrig für das, was in unserem Körper und dem des Pferdes stattfindet. Dabei kann eine ruhige Hand nur aus einem stillen, balancierten Sitz kommen!
Auch die korrekte Haltung des Pferdes sowie eine gleichmäßige Anlehnung sind Ergebnis eines balancierten Pferdekörpers.
Was du stattdessen tun solltest:
Wann immer du die Rückmeldung bekommst, deine Hände seien zu unruhig, unkontrolliert oder hart, nimm es als Hinweis darauf, dass in deinem Sitz etwas noch nicht stimmt und lege den Fokus dorthin. Deine Hände, die Zügel und auch die Kopfhaltung des Pferdes sollten erstmal Nebensache sein. Und ja, der Zügel darf auch ‚zu lang‘ sein!
Dann gibt es noch Situationen, in denen du die Zügel benutzt, weil es ohne noch gar nicht klappen möchte: Parieren oder Wenden beispielsweise.
Auch hier gilt: Das Problem wird sich nicht lösen lassen, indem du mit aller Willenskraft deine Hände ruhig hältst. Sondern du musst lernen, was du mit deinem Sitz tun kannst und solltest, um dein Pferd ohne Zügel wenden oder parieren zu können. Und ganz ehrlich: Wenn dein Reitlehrer immer deine Hände kritisiert, dir aber nicht dabei helfen kann, einen balancierteren Sitz zu entwickeln, dann ist diese Person aktuell für dich nicht der richtige Lehrer.
Anweisung 2: Dreh dich mehr mit!
In Wendungen wird viel Wert auf den sogenannten Drehsitz gelegt oder darauf, die eigenen Schultern mit denen des Pferdes zusammen nach innen zu drehen.
Was die Anweisung bewirkt:
Entweder eine Verdrehung in der Taille, gern begleitet von einem Einknicken in der Hüfte – der eigene Körper wird instabiler und schiefer; oder ein Zurückdrehen der inneren Beckenhälfte (Hüfte), was das innere Hinterbein des Pferdes blockiert und gern auch zu einem Ausbrechen über die äußere Schulter führt.
Was du stattdessen tun solltest:
Für eine balancierte Wendung muss das innere Vorderbein des Pferdes schräg nach vorn-innen fußen können.
Daraus ergibt sich für uns Reiter:
Der innere Sitzbeinhöcker, und damit die gesamte innere Beckenhälfte, müssen nach vorn gehen. Damit kommt die innere Hüfte mehr über das innere Knie und der Reiterbauch zeigt mehr nach AUSSEN. Stell dir dazu vor, dein Pferd und du würdet sanft in die Bewegungsrichtung gezogen werden – weder schiebst du dein Pferd dorthin noch kippst du vor –, ergibt sich dadurch automatisch eine leichte Gewichtsverlagerung nach vorn-innen. Dieser folgt das Pferd mit dem inneren Vorderbein.
Die Lösung ist also tatsächlich ein weniger Mitdrehen!
Übrigens: „Schultern parallel zu denen des Pferdes“ bedeutet nicht, sich nach innen zu drehen, sondern, dass beide Pferdeschultern und beide Reiterschultern auch in Wendungen (und später Seitengängen) parallel zum Boden bleiben. Weder Pferd noch Reiter sollen eine Schulter höher oder tiefer tragen als die andere.
Anweisung 3: Absatz tief, Bein länger!
Soll zu einem tieferen, gestreckter wirkenden Dressursitz führen.
Was die Anweisung bewirkt:
Ein Überstrecken der Beine, sodass Hüft- und Kniegelenke näher an ihrer Endstellung als ihrer Mittelstellung sind. Das wiederum schränkt ihre Bewegungsmöglichkeiten ein und sie können ihre Federfunktion nicht mehr erfüllen. Insbesondere für die Hüfte ist das fatal, denn das Hüftgelenk ist DAS zentrale Gelenk guter Reiterei. Eine feste Hüfte verhindert einen balancierten Sitz.
Zusätzlich wird durch ein zu starkes Strecken eine physiologische Beinhaltung verhindert.
Die Füße kommen zu weit nach vorn – es entsteht die Tendenz zum Stuhlsitz, anstatt der Lotlinie Schulter-Hüfte-Sprunggelenk.
Weiterhin kommt bei der Streckung der Beine mehr Druck in die Steigbügel, der das Reiterbecken aus dem Sattel hebelt und einen satten Sitz verhindert.
Und ein zu stark gestrecktes Bein verhindert ein sattes Anliegen der Oberschenkelinnenseiten am Sattelblatt. Auch das verhindert einen satten Sitz, aber auch ein Loslassen im Pferderücken – das Reitergewicht landet zu punktuell auf dem Pferderücken anstatt über möglichst viel Fläche verteilt zu sein.
Was du stattdessen tun solltest:
Fokussiere dich auf die physiologisch korrekte Beinlage, das heißt
- x-beinig angelegte Oberschenkel, die mit der Innenseite satt anliegen. Die Kniescheiben zeigen mehr nach vorn als nach außen.
- die Oberschenkel in einem Winkel von ca. 45°
- die Kniekehle so weit gewinkelt, dass dein Sprunggelenk lotrecht unter deiner Hüfte liegt
So kommst du besser zum Sitzen, deine Hüftgelenke können die Pferdebewegung gut durchlassen und deine Beine dich stabil und weich im Sattel halten. Dein Pferd bekommt gleichmäßigeren Kontakt über den Rücken und kann so besser loslassen und über den Rücken gehen.
…mit zunehmendem Können und Stabilität kann dein Knie über die Jahre tiefer kommen und so den Eindruck eines längeren Beins vermitteln. Aber nie über ein aktives Langstrecken der Beine.
Anweisung 4: Setz dich mehr rein!
Weil entweder die Reiterin nicht satt genug im Sattel sitzt oder mehr Aktivität oder Haltung vom Pferd erwünscht ist.
Was die Anweisung bewirkt:
Verschiedene Reaktionen sind möglich, denn die Anweisung lässt sehr viel Interpretationsspielraum.
Oft wird daraufhin verbissen nach unten gedrückt, es kommen die Knie hoch (Ciao, Beinlage), es entsteht ein Rundrücken oder der Reiter kommt hinter die Senkrechte. In jedem Fall kommt so vermehrt Druck auf den Pferderücken, der Losgelassenheit verhindert und daher zu gar keiner Verbesserung führen kann.
Was du stattdessen tun solltest:
Zunächst klären, was mit der Anweisung gemeint ist! Soll dein Schwerpunkt dichter und kompakter ans Pferd? Soll dein Pferd fleißiger fußen, weil es im Takt nachlässig wird? Soll dein Pferd sich mehr aufrichten und schließen?
Im zweiten Schritt ist es dann schlicht Aufgabe des Reitlehrers, genauer aufzuschlüsseln, WIE konkret die Anweisung so umzusetzen ist, damit das gewünschte Ergebnis möglich wird.
Beispielsweise kann es sein, dass du deine schräge Bauchmuskulatur nutzen musst, um deine Taille rechts und links breiter und stabiler zu halten, um den tieferen Sitz zu erreichen. Oder dein Beckenboden ist zu stark zusammengezogen.
In jedem Fall darf die Korrektur nicht zulasten des Pferdes gehen. Auch bei tieferem Schwerpunkt, vermehrtem Schließen oder Aktivieren des Pferdes muss das Pferd den Platz haben, mit seinem Brustkorb den Sattel von unten her vermehrt auszufüllen!
Anweisung 5: Mehr Aufrichten!
Ähnlich wie bei der Anweisung zum längeren Bein erfüllt hier der Reiter noch nicht den gewünschten geraden Dressursitz.
Was die Anweisung bewirkt:
In der Regel eine Überstreckung des Oberkörpers, die zum Hohlkreuz führt. Die Sitzbeinhöcker zeigen zu weit nach hinten, die Brust zu weit nach oben. Dadurch wird der untere Rücken, die Lende, gestaucht und die geraden Bauchmuskeln sind für eine stabilisierende Wirkung zu stark gedehnt. Eine physiologische Atmung ist nicht mehr möglich, weil sowohl Bauchmuskeln als auch Zwerchfell nicht mehr optimal arbeiten können. Losgelassenheit adé, Hallo Rückenschmerzen.
Was du stattdessen tun solltest:
Deinen Oberkörper physiologisch korrekt ausrichten. Dazu müssen die Sitzbeinhöcker gerade nach unten zeigen und auch dein Brustbein gerade ausgerichtet sein – weder nach hinten kippen noch nach vorn gedrückt werden. Das wird ohne Feedback von Reitlehrer oder Physiotherapeut beim ersten Mal nicht möglich sein, da es sich unter Umständen sehr komisch anfühlen kann.
Dazu gehört dann außerdem das richtige Maß an Körperspannung, in der Regel in Bauchmuskulatur und auch Zwerchfell. Ist davon zu wenig da, wirkst du vielleicht auch zu sehr zusammengesunken – daher die Aufforderung, dich mehr aufzurichten. Ohne den passenden Tonus wirst du in der Bewegung die korrekte Ausrichtung deines Oberkörpers nicht halten können.
Du siehst: Viele dieser Anweisungen beschreiben ein Ziel, aber erklären weder genauer, wie man dorthin kommt, noch berücksichtigen sie, ob das Thema zu den aktuellen Fähigkeiten des Reiters passt.
Reitausbildung ist ein bisschen wie Stille Post:
Ein guter Reiter hat seinem Schüler mal etwas gesagt, dieser erzählt es seinen Schülern, die es wiederum an ihre Schüler weitergeben. Unterwegs geht dann aber oft verloren, was damit gemeint ist, wie genau es umzusetzen ist und welcher Kontext dafür notwendig ist.
Und am Ende der Kette sitzen wir, die wirklich gern besser reiten wollen und dann denken, wir seien zu blöd dazu. Sind wir nicht – das Problem sind die entstandenen Übertragungslücken!
Deswegen hoffe ich, dir hier etwas Licht ins Dunkel gebracht zu haben.
Wenn du genauere Unterstützung haben möchtest, schau dich gern bei meinen Angeboten um:
1:1-Betreuung in den Trainingspaketen, im Onlinetraining oder bei der Sitzschulung und immer wieder auch Onlineangebote für dich und dein Pferd.
Besser Reiten ist eine erlernbare Fähigkeit. Auch, wenn du nicht täglich zehn verschiedene Pferde reitest. Aus dem Wissen Können zu machen – dabei möchte ich dir helfen!
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